Medienmündigkeit statt Medienkompetenz!

Was Medienkompetenz und Medienmündigkeit unterscheidet - Oder: “Beherrscht dein Kind die digitalen Medien - oder umgekehrt?”

Hier in der Schweiz laufen die Diskussionen rund um die Initiative «Schützt unsere Kinder – Links sind kein Kinderrecht» grad heiss. Gefordert ist nicht weniger als ein Social Media Verbot bis 16 Jahre.

Die drei Initiantinnen sprechen mir mit ihren Zeilen an Bundesrätin Baume-Schneider aus dem Herzen:

«… unsere Kinder wachsen in einer Welt auf, in der Likes, Filter und ständige Vergleiche ihr Selbstbild formen – oft bevor sie überhaupt gelernt haben, wer sie wirklich sind. Sie wachen mit dem Handy auf, schlafen mit TikTok ein – und dazwischen wächst eine stille Krise, die wir nicht länger ignorieren dürfen. … Wie können wir erwarten, dass Kinder mit Social Media verantwortungsvoll umgehen – wenn selbst wir Erwachsene kaum widerstehen können? Genau deshalb gibt es Altersgrenzen bei Alkohol, Zigaretten und Glücksspiel.» 

Ja, genau!

Und genau deshalb kennen wir als Gesellschaft das Konzept der Mündigkeit!

Und dieses sollten wir auch auf Medien anwenden! Deshalb die Frage: Wie können wir dazu beitragen, dass unsere Kinder medienmündig werden? Also reif genug, um mit den Werkzeugen der neuen Zeit - und da gehören Bildschirme, Games oder Social Media nun halt mal dazu - verantwortungsbewusst umzugehen?

Wikipedia beschreibt Medienmündigkeit wie folgt:

Medienmündigkeit ist das Ziel einer Medienpädagogik, die vom Menschen her denkt, der sich zur Autonomie hin entwickelt. Medienmündig ist demnach, wer die Medien möglichst beherrscht und sich wenig von ihnen beherrschen lässt. Selbstbestimmte Entscheidungen setzen eine reife Urteilskraft voraus.*

 

Sollte das nicht unser aller Anliegen sein?

Und gibt es nicht genau deswegen Alterslimiten bei Alkohol oder beim Autofahren? Weil wir wissen, dass es nicht ausreicht, die Auswirkungen von übermässigem Alkoholkonsum oder die Verkehrsregeln und das Zusammenspiel von Kupplung, Schaltung und Bremse zu KENNEN, um bereits mit 12 Jahren ein sicherer Verkehrsteilnehmer oder eine vernünftige Alkoholkonsumentin zu sein…?

Deshalb störe mich daran, dass in Stoff- und Lehrplänen der Eindruck erweckt wird, dass Medienmündigkeit oft in Lerninhalte mitsamt Lernzielen verpackt werden: “Die SuS können Folgen medialer und virtueller Handlungen erkennen und benennen, z.B. Identitätsbildung, Beziehungspflege, Cybermobbing” (Lehrplan, Grundanspruch Zyklus 2).

Medienmündigkeit lässt sich nicht einfach als Unterrichtseinheit vermitteln, denn sie hat nichts mit Wissen zu tun! Und sie lässt auch nicht so einfach fassen oder messen, was sie für Bildungsforscher wohl nicht so interessant macht.

Diese Fähigkeiten «müssen» resp. dürfen gedeihen – ihre Entwicklung braucht Zeit, wie das untenstehende Beispiel von Paula Bleckmann aus ihrem 2012 (!) erschienenen Buch «Medienmündig» illustriert:

 
 


Ob nun ein Verbot der richtige Weg ist, weiss ich nicht – auch nicht ob 16 Jahre ein sinnvolles Alterslimit ist. Und gut möglich, dass ein Verbot das Ganze nur attraktiver macht und kreative Umgehungen blühen lässt (Stichwort «Gegenwille»). Und gut möglich auch, dass die Umsetzung Entwicklungen befeuert, die auch nicht ganz problemlos sind – oder wie will das Ganze überwacht werden? Via eine digitale ID…?

Wunderbar finde ich, dass die Initiative das Thema aufs politische Parkett bringt, denn die Auswirkungen der ausufernden Bildschirmzeit von Kindern sind enorm!

Im Mittelpunkt all der Diskussionen sollte die Frage stehen:

Wie können wir dazu beitragen, dass unsere Kinder medienmündig werden?

Also reif genug, um mit den Werkzeugen der neuen Zeit verantwortungsbewusst umzugehen?

Fakt ist: Solange unsere Schulen resp. die Politik hier nicht aktiv werden, bleibt mir als Mutter und bleibt uns allen nur diese eine Möglichkeit, um unseren Kindern Medienmündigkeit zu ermöglich:

Puffer sein zur digitalen Welt, bis unsere Kinder und Jugendlichen reif genug sind, um mit ihr klarzukommen.

Das Klingt erstmal einfach und logisch, nicht? Die Frage ist nur «how to?» - wie können wir Puffer sein?

Aus meiner Sicht brauchen wir erstmal ein möglichst umfassendes Verständnis dafür, was hier eigentlich grad passiert! Nur so können wir eine eigene Haltung einnehmen und die gegenüber unseren Kindern und Teenies auch vertreten. Und diese Haltung brauchen wir! Sie ist goldwert wenn es darum geht, uns in dem immer komplexer werdenden digitalen Angebot zu orientieren.

Nur, wie können wir verstehen, was da alles passiert und welche Auswirkungen das hat? - Die digitale Revolution überrollt uns ja genau so, wie Revolutionen das so zu tun pflegen – diese hier vielleicht mit einer noch etwas grösseren Geschwindigkeit als ihre Vorgängerinnen. Und gleichzeitig müssen wir so viel Zeit und Energie darauf verwenden, um mit all den Umwälzungen Schritt zu halten: Wie sollen wir da noch innehalten und uns fragen, welche Auswirkungen das alles auf die natürliche Entwicklung unserer Kinder und Jugendlichen hat? Auf die emotionale und psychische Entwicklung, natürlich – aber nicht nur: Auch die Augengesundheit oder die motorischen Fähigkeiten leiden darunter und überhaupt die Gesundheit, wenn zu wenig Zeit für frische Luft und Bewegung bleibt.

Natürlich gibt es zig Antworten und Studien, doch da hier Milliarden von Dollars umgesetzt werden, sollte eigentlich klar sein, dass es dabei ganz oft NICHT um das Wohl unserer Kinder geht, sondern um handfeste wirtschaftliche Interessen.

Was also tun?

Mir persönlich hat der Blick durch die bindungsbasierte Brille die wertvollsten Erkenntnisse geliefert, um für unsere Kinder sinnvolle Antworten zu formulieren und entsprechende Konsequenzen abzuleiten.

Gordon Neufelds Lebenswerk kommt hier in vollem Ausmass zum Tragen: Nur wer über eine umfassende Theorie der menschlichen Entwicklung verfügt und die Implikationen für die Betreuung und Begleitung von Kindern versteht, kann diese Fragen überhaupt fassen und umfassend beantworten. Nur wer bspw. versteht, was Bindungshunger ist, kann verstehen, wie und warum Teenies diesen Hunger digital stillen, welche Auswirkungen das hat und welche Rolle wir Erwachsenen darin spielen.

Und mehr noch:

In meinem Blog-Eintrag «Just quick fixes» habe ich vor zweieinhalb Jahren beschrieben, …

dass die Gefahr von «digitalen Devices» darin liegt, dass sie uns schnelle Lösungen für unsere grossen und drängenden menschlichen Probleme bieten …

… und so mit der Entwicklung von natürlichen Lösungen interferieren, die unabdingbar sind für die Entfaltung unseres menschlichen Potentials.

Das ist auf der einen Seite eine Krux und auf der anderen die Antwort auf das Problem.

Die Krux liegt darin, dass zu viel Social Media, zu viel Gamen, zu viel Bildschirm die Reifwerdung unserer Kinder und Jugendlichen behindert, was die Geräte und ihre Möglichkeiten umso verlockender macht. Oder vereinfacht gesagt:

Wer nichts mit sich selbst anzufangen weiss, wer seine Impulse nicht kennt und nicht balancieren kann und wer verlernt hat zu spüren und zu fühlen, für den sind die Geräte unwiderstehlich und unendlich verlockend.

 

Die Antwort sieht entsprechend so aus: Je reifer ein Kind oder Jugendlicher ist, desto weniger verlockend sind die Untiefen der digitale Devices. Oder vereinfacht gesagt:

Wer mit sich selbst verbunden ist, die Höhen und Tiefen des Lebens fühlen, die Realität annehmen und die eigenen Impulse balancieren kann, für den sind digitale Geräte nicht mehr Lebensinhalt, sondern Werkzeuge, die er/sie brauchen kann wie ein Maler einen Pinsel oder ein Schreiner einen Hammer.

Und hier können wir doch ansetzen!

Falls dich diese bindungsbasierte Sichtweise auf Social Media, Games und Co. interessiert, sei gerne dabei bei meinem Kurs «Digitale Medien: Vom Kind zum Screenager?!?»

Der Kurs umfasst zwei Teile:

1) Welche Auswirkungen die Digitalisierung auf die natürliche emotionale & psychische Entwicklung unserer Kinder hat - In diesen Teil tauchst du mittels eines zweistündigen Videos inkl. Handout selbst ein.

2) Wie wir Kinder ganz natürlich in die und in der digitalen Welt begleiten - Oder anders formuliert: Was bedeuten die Erkenntnisse aus dem ersten Schritt für die Begleitung und Betreuung von Kindern - für dich und dein ganz persönliches Setting? - Hierfür treffen wir uns am 13. und 14. Juni zweimal live auf Zoom.

 

Alle Infos zum Kurs findest du hier: www.bindungsbasiert.ch/digitale-medien

Ich würde mich freuen, dich im Kurs begrüssen zu dürfen,

 

PS: Der Frühbucher-Rabatt gilt noch bis zum 15. Mai 2025.

 

Bild: Pixabay, A.D.

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“Nie mehr, ich will nie mehr…!!!”